28. Tag 9. Juni 9.15 Abfahrt. Der Himmel ist grau in grau und starker Wind. Auch der Regen setzt wieder
ein und zwar sehr heftig. Ab jetzt benutzen wir die Telefonzellen als Regenschutz, um überhaupt noch weiter zu kommen. Die Insel "Ille d`Oleron ist heute unser Ziel. Bei sehr starken Sturm müssen wir zwei lange Brücke überqueren um auf die Insel Oleron zu gelangen. Es wurde ein Kampf gegen Windböen und erforderte sehr viel Kraft um nicht gegen das Geländer oder auf die Straße gedrückt zu werden. Die vielen Autos rasen an uns vorbei, ohne Rücksicht. Radfahrer auf Ferntour, sind in ihren Augen Verrückte. Das können nur Deutsche oder Holländer sein...! Der Sturm wird noch stärker, wir sind in der Mitte der Brücke. Die Fahrräder mit den 30 Kilo Gepäck sind nicht mehr zu halten. Wir müssen schieben. Selbst das Schieben macht noch Schwierigkeiten. Es ist geschafft, wir sind auf der Insel Oleron angekommen. Gleich nach der Brücke legen wir einen Stopp ein, um uns in einem Restaurant bei einem Cafe zu erholen. Die Fahrt geht weiter. Unser neues Ziel heißt Boyardville. Dort soll es eine Fähre nach La Rochelle geben. Erst um 15.00 öffnet das Büro du Tourisme. Wir müssen warten. Um 15.00 erklärt man uns, das die Fähre erst in zwei Tagen fährt. Wir machen lange Gesichter. Zwei Tage, bei Sturm und Regen auf der Insel, unvorstellbar...
Aber heute, am 9. Juni geht nur ein Schiff von St. Denis, Abfahrt 16.45. Bis St. Denis sind es noch
20 Kilometer. Die verbleibene Zeit muss reichen für die 20 Kilometer. Jetzt treten wir mit aller Kraft in die Pedale. Um 16.15 wir haben den kleinen Hafen von St. Denis erreicht. Sieht aus wie ein Segeljachthafen für Privatboote, sehr romantisch, aber ein Anleger für eine Fähre ist nicht zu sehen. Der Wind entwickelt sich zum Sturm, auch starker Regen setzt wieder ein. Ich denke wir müssen nach dem Hafenmeister suchen und ihn befragen. Durch Zufall läuft er uns über den Weg und wir erkundigen uns nach einer Fähre nach La Rochelle. Er klettert in sein Büro, das erhöht auf Stelzen steht und bittet uns zu warten. Nach einiger Zeit winkt er uns zu und erklärte, dass ein Boot komme und auch die Fahrräder mitnimmt. Da es keinen Anlegersteg gibt, fragen wir ihn, wo wir hin müssen. Er zeigt uns dort (là, tout droit) voyez-vous le hibou de citerne? Là ils doivent attendre, sehen Sie die Tanksäule? Dort müssen sie warten. Uns kommen große Zweifel, es sieht nicht danach aus, dass hier ein Boot anlegen kann! Eine niedrige Mauer aus großen Steinen, das ist alles! Eine Zapfsäule für Diesel und Benzin, mehr nicht. Der Sturm bläst, uns wird kalt. Wir hocken uns hinter die Zapfsäule und warten. Nach einiger Zeit sehen wir durch den Regen Gestalten mit Koffern auf uns zukommen. Wir schöpfen Hoffnung. Jetzt sehen wir auch auf dem Meer ein Boot zwischen hohen Bugwellen.
Es steuert auf uns zu... Wir sehen ein kleines Boot, die Wasserwellen schlagen über das gesamte Boot.
Tatsächlich, es ist unser Boot nach La Rochelle. Inzwischen ist uns ziemlich alles egal. Hauptsache
wir kommen heute noch nach La Rochelle. Das Boot hebt und senkt sich gewaltig. Ein Brett soll und muss den Steg ersetzen. Alle sind sehr aufgeregt. Horst muss rückwärts über das Brett, dann kommt das Fahrrad und ich führe das Rad hinten. Und nochmal das Gleiche. Man ruft uns immer wieder zu
schnell schnell, vite, vite. Ich war froh, als wir und die Räder auf dem Boot waren. Im gleichen Moment schiesst das Boot los! Horst und ich konnten uns kaum auf den Beinen halten. Das Gepäck musste laut Anweisung abgenommen werden und die Fahrräder festgebunden. Wohin? Es geht nur hinten am Boot, dort gibt es eine Stange.
Auf dem kleinen Boot gab es eine kleine Kabine von ca.10 Plätzen. Nur einer war frei. Horst warf mir von
draußen unsere Gepäckstücke zu! Ich warf sie auf den freien Platz. Auf den Boden ging nicht, da lief das Wasser der überschlagenden Wellen wieder aus dem Boot. Auch wir retten uns in die Kabine. Zwei Passagiere rutschen noch etwas zusammen und gewähren uns Platz. Stehen konnten wir nicht, weil wir sonst mit den Füssen im Wasser gestanden hätten. Mit angezogenen Beinen ergeben wir uns diesem Abenteuer.
Wir beobachten auf den tobenden Wellen einen Jet-Skifahre, der wild mit den Armen fuchtelt. Wir nehem an, dass er in Seenot geraten ist und sofort informieren wir den Bootsführer. Er fährt eine Kurve und ruft dem Jet-Skifahrer zu "si Tu as besoin de l'aide" (brauchst Du Hilfe), er ruft no (il appelle no). Unser Bootsführer ist verärgert und ruft "Con" (Blödmann) und setzt den Ritt über den Ocean fort. Ein sicherlich ein einmaliges Erlebnis für uns. Trotz aller Eile fährt er noch eine Runde um das Ford Boyard.
Bei Sturm, Regen und Kälte erreichen wir den Hafen von La Rochelle, er scheint wieder privat zu sein. Das Boot legt an einem anderen Boot an und jetzt wird es noch komplizierter als in St. Denis, Oleron. Auf einem schwankenden Steg müssen wir die Räder und das Gepäck über zwei weitere Boote transportieren. Ich habe
allergrößte Mühe selbst über diesen Steg zu gehen. Mit den Händen halte ich mich an den Seilen fest.
Am anderen Ende angekommen, folgt mir nun Horst. Eine Hand am Seil, in der anderen Hand Gepäckstücke. Jetzt folgen noch, einzeln die Fahrräder. Horst ist geschafft. Hilfe gab es keine. Nur immer wieder
vite, vite-schnell, schnell!
Wir bepacken unsere Räder mit Gepäcktaschen und schieben sie über den schwankenden Steg auf den festen Hafenboden. Total durchnässt, wir und das Gepäck, schauen wir uns nach einem Cafe um. Auf der Hafenpromenade entdecken wir eins. Da auch dort alle Markisen hochgezogen sind, fragen wir, ob
wir auch so durchnässt eintreten dürfen. Wir dürfen... |